… und das falsche Gehen uns erdrückt.
Oder:
Wieso wollen wir eigentlich „richtig gehen lernen“ und landen dann früher oder später auf Seiten wie dieser?
Darüber würde ich unter anderem auch gerne eine Umfrage machen, weil die Motivationen sehr auseinandergehen – im Kern jedoch immer auf das gleiche hinauslaufen müssten.
Der heutige Beitrag geht etwas mehr in die Tiefe unseres Körpers. Genauer gesagt: Wir betrachten uns die sogenannte Körperstruktur genauer und wissen dann (vielleicht?), warum uns das Gehen so wichtig ist.
1. Was ist eigentlich diese Körperstruktur?
2. Worin unterscheidet sie sich von der Körperhaltung?
3. Wodurch entsteht im Körper überhaupt eine Struktur und was bewirkt sie bei uns?
4. Und schließlich: Wie drückt sich unsere Körperstruktur beim Gehen aus?
Fangen wir bei 1. an:
Körperstruktur ist -ganz einfach ausgedrückt- die innere Form, die den Körper ständig grundsätzlich charakterisiert. Sie ist unabhängig davon, was wir gerade tun, sondern sie definiert uns quasi, ähnlich einem Fingerabdruck.
Hiermit ist auch schnell der 2. Punkt abgearbeitet:
Wenn Struktur ständig präsent ist, dann ist sie auch unabhängig von einer eingenommenen Haltung:
Haltung wird GEMACHT <->Struktur IST!
Deshalb kann man zwar durch irgendwelche Maßnahmen temporär seine Haltung beeinflussen, an die Körperstruktur kommt man aber nicht so ohne weiteres dran.
Wie entsteht eine Körperstruktur? (3)
Um nur ein wenig auszuholen, sei sich vergegenwärtigt, dass z.B. bei Wirbeltieren das Skelett eines der wichtigsten strukturgebenden Bausteine ist. Ein Hase hat eine deutlich andere Körperstruktur als ein gleich großer Adler. Und zwar sicher nicht wegen der Federn und des Fells, sondern wegen des völlig anderen Skelettes. Durch diese Struktur ist dann auch die Lebensweise größtenteils erkennbar.
Bei uns Menschen entsteht die Körperstruktur ebenfalls durch die Art und Anordnung der Knochen. Dennoch sind die Knochen bei („gesunden“) Menschen (und generell) nicht allein ausschlaggebend für die innere Form, die jeden einzelnen genau charakterisiert.
Vergleichen wir doch
a. einen völlig in sich zusammengesunkenen Menschen, mit weit vor dem Brustkorb getragenem Kopf, nach vorne gezogenen, hängenden Schultern, einem Rundrucken und -als Ausgleich- einem sehr vorgeschobenen Becken
b. einen sehr aufgeblähten Menschen, mit steifem Nacken, nach hinten gezogenen Schultern, nach außen gedrehten Füßen und sehr angespanntem Bauch und Hinterteil.
Sicherlich haben diese beiden auch ein leicht unterschiedliches Skelett, doch macht dieses nicht den entscheidenden Unterschied dieser Körperstrukturen aus. Vielmehr ist die Anordnung der Knochen, Gelenke und offenbar auch der daran hängenden Muskeln unterschiedlich. Und diese Unterschiede verändern die Körperstruktur ganz augenscheinlich recht stark.
Wie kommt es zu den Unterschieden?
Nun, die Knochen sind ja untereinander nicht direkt verbunden, sondern über Sehnen und Bänder, die wiederum über das Bindegewebe vollständig miteinander verbunden sind.
Die Muskeln stecken lediglich in den bindegewebigen Hohlräumen als ein Kraftwerk für Bewegung.
Und was ist nun für diese oder jene Körperstruktur verantwortlich?
Früher ging man davon aus, dass die Muskeln allein für die Haltung verantwortlich sind.
Nun ist aber erstens die Körperhaltung zum einen etwas willkürliche gemachtes und zweitens nur für kurze Zeit mit den Muskeln aufrecht zu erhalten.
Die wirkliche und untrügliche Körperstruktur hat mit Muskelarbeit sehr wenig zu tun.
Denn Körperstruktur wird neben dem Skelett fast ausschließlich über das Bindegewebe gebildet und auch aktiv aufrecht erhalten.
Wir sprechen beim Bindegewebe allerdings bereits seit Jahren von den Faszien.
Was die Faszien alles leisten für unseren Körper und wofür sie verantwortlich sind, würde den Rahmen dieses Themenblogs bei weitem sprengen.
Wichtig für uns ist konkret die Relevanz für unser Leben und unsere Bewegung:
-> Eine Körperstruktur, die nach unten gerichtet ist oder mit Gewalt nach oben und hinten schiebt ist eine Belastung für Knochen und Gelenke. Sie verursacht chronische Verspannungen und raubt Energie, die ja zum ständigen Kampf gegen die Schwerkraft aufgewendet wird und – ganz fundamental- sie hält auch den Geist ständig mit diesem Kampf in Beschäftigung und raubt wertvollste Energie für Gelassenheit, Freude, Offenheit, intensive Emotionen, mentale Weiterentwicklung. Außer der eigentlichen Tätigkeit ergibt sich ein ständiges (größtenteils unbewusstes, weil gewohntes!) Beschäftigen und Abfinden mit viel zu sehr beanspruchten Muskeln, der Verdrängung von Schmerzen und dem Ausgleichen von störenden Anspannungen überall im Körper (bsp. Nacken, Kiefer, Schulern, unterer Rücken, …) Da der Kampf gegen die Schwerkraft aber immer nur kurzfristig und dann auch nur durch weitere ANSTRENGUNG von Muskeln bewältigt werden kann, was weitere Verspannung, Verzerrung an anderer Stelle verursacht, ist er auf die herkömmliche, muskuläre Art nicht zufriedenstellend zu bewältigen. Der Preis ist zu hoch und die Mittel sind sehr ineffizient.
-> Eine optimal nach oben gerichtete Körperstruktur ist die ideale Ausrichtung gegen die immerwährende Schwerkraft. Sie ermöglicht es uns, OHNE ANSTRENGUNG genau die Position innezuhaben, die natürlicherweise am effizientesten mit Kräften umgehen kann. Egal, ob es sich um die pure Schwerkraft handelt oder Einwirkungen von außen. Da eine Körperstruktur immer völlig UNBEWUSST existiert, hat man im Falle der optimalen Aufrichtung automatisch von der Statik her immer alles „richtig“ gemacht. Alles fühlt sich im Vergleich zu der verzerrten Ausrichtung äußerst leicht an (und sieht von außen auch in der Regel leicht und elegant aus). Zusätzlich zu der körperlichen Leichtigkeit muss sich der optimal aufgerichtete Mensch auch mental überhaupt nicht mit irgendwelcher Schwere, Verspannung oder gar Schmerzen bei Bewegungen oder im Stehen/Sitzen auseinandersetzen. Der Geist ist genau so leicht und frei wie der zugehörige Körper und entsprechend leistungsfähig und flexibel.
Was sagt unser Gehen über unsere Körperstruktur und damit über uns selbst also aus? (4)
Es kommt nicht ganz von ungefähr, dass Menschen, die sich wirklich tiefgreifend mit dem Körper befassen und den Körper dabei nicht bloß als eine Ansammlung von „Einzelfunktionen“ begreifen, irgendwann, ja, …irgendwann bemerken, dass alles mit dem einfachen Stehen beginnt und – als erste Bewegung- mit dem ersten Schritt, dem Anfang jedes Gehens.
Wenn wir uns unsere „ganz normalen“ Gehgewohnheiten ansehen und gleichzeitig verstehen wollen, dass so ein aufrecht gehender Körper quasi nur aus Gleichgewicht bestehen kann, das unter minimalster Anstrengung ständig unbewusst AUFRECHT erhalten werden muss, ja dann KANN ein schwerer, schleppender oder hackender oder Trampelnder Gang ÜBERHAUPT NICHT körpergerecht sein. Ja, für eine kurze Weile der besonderen Last, oder in speziellen Situationen. Aber quasi fast immer?
Glücklicherweise ist es so, dass zumindest in einigen Situationen, wie schon im Beitrag „Richtiges Gehen – Falsches Gehen“ geschrieben, sowieso nur der Ballen und damit die Faszienkette unbewusst benutzt wird, weil es anders schon anatomisch nicht geht.
Ich schreibe jetzt quasi jedem ins Gesicht 🙂 , dass er getrost sämtliche Attribute der nach unten gerichteten Körperstruktur auf sich prinzipiell übertragen kann, wenn er noch nicht dort angekommen ist, unbewusst die Spannkraft des Fußgewölbes bis in den Scheitel hinein zu projizieren, sobald er anfängt, überhaupt Bodenkontakt mit den Füßen zu haben. Selbst das pure Wissen darum ändert überhaupt nichts an der Tatsache, dass jeden Tag gekämpft wird. Man könnte genauso gut alle indischen Gewürze oder die Partitur der fünften Sinfonie Beethovens auswendig kennen. Es ändert zunächst nichts! …
Der Ballengang ist eins von mehreren(!) Bewegungsmuster bzw. Wegen, wie eine nach oben gerichtete Körperstruktur durch eigenes TUN aufgebaut werden kann. Denn der Ballengang nutzt in jedem Moment die enorme Energieleistung des faszialen Bindegewebes, die durch Muskelarbeit nicht zu ersetzen ist und dabei so gut wie keine eigene Energie kostet. Menschen, die sich sehr nah an der idealen Aufrechtung befinden, nutzen fast immer auch den Ballengang. Umgekehrt kann man schon durch die ganz bewusste Nutzung der Faszienkette im Ballengang sich selbst der idealen Aufrichtung und der daraus folgenden unbewussten nach oben gerichteten Körperstruktur annähern.
Da Körperstruktur sich nur sehr langsam verändern lässt (rechnen Sie mit mindestens 6-24 Monaten), wäre eine Alltagsbewegung wie das Gehen, die man ohnehin täglich praktiziert, nicht geradezu prädestiniert für eine so tiefgehende positive Veränderung? (Umgekehrt funktioniert es ja auch prächtig: Die anfangs perfekte Körperstruktur JEDES (gesunden) Kleinkindes wird innnerhalb vieler Jahre zu dem was wir tagtäglich um uns beobachten können …)
Auch wenn ich mich oft wiederhole: Einfach „auf dem Vorfuß zu landen“ ist noch lange kein Ballengang und hat auch mit der Nutzung der optimalen Aufrichtung zunächst einmal nicht viel zu tun.
Ich möchte alle interessierten Leser dazu ermuntern, sich ihr Gehen einmal aus dieser Pespektive anzuschauen und nicht aufzugeben, an sich zu arbeiten und zu erforschen, wie man so funktioniert.
Gerne sind Sie für ein planvolles und bereits durchlebtes und bewährtes Vorgehen und „Trainieren“ zum kostenlosen Email-Kurs:
„Richtig Gehen lernen im Ballengang“
eingeladen! Probieren (= Tun) geht über …. ? 🙂
Mit den besten Grüßen, Stefan Heisel