Richtig Gehen lernen (3) – Kinder lernen Ballengang


Richtig Gehen Lernen (3)
Richtig Gehen Lernen (3)

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

angeregt durch eine Skypeanfrage bezüglich der 2-4 –jährigen Kinder eines Ballengängers möchte ich mich heute der Frage widmen, wie man Kinder dazu bringen kann, im Ballengang zu gehen.

Die Antwort darauf ist ebenso banal wie selbstverständlich: Direkt GAR NICHT!

Wie stellt sich das natürliche Gehen eines gesunden Kindes aber optimalerweise ein?

Nachdem sich das Kind frei aufrichten und selbständig auf die eigenen Beine stellen kann, muss es zunächst seine Balance finden. Der Kopf ist überproportional, die Wirbelsäule ist noch nicht vollständig in ihrer stabilisierenden Doppel-S-Form, die Muskulatur ist noch nicht auf das Stehen trainiert und die Faszien (das Bindegewebe) müssen sich an diese aufrechte Gestalt allmählich anpassen.

Ein ganz entscheidender Teil des faszialen Netzwerkes ist hier noch gar nicht ausgebildet, nämlich das Fußgewölbe. Dieses für die richtige Fortbewegung sehr wichtige Bindegewebe muss sich rein durch Training, das bedeutet also durch das Stehen und Gehen selbst, überhaupt erst ausbilden. Das selbe gilt für den ganzen Bewegungskörper und dessen stützende Funktionen. Alles, was vom gesunden Kind an Bewegungsimpuls kommt, ist angeborenerweise gut und richtig und dient der gesunden körperlichen und geistigen Entwicklung. Glücklicherweise müssen wir unserem Kind die wirklich essentiellen Dinge wie sich aufzurichten, sich zu setzen, zu stehen und zu gehen ebenso wenig aktiv beibringen wie das Sprechen. Es geschieht automatisch in einer gesunden Umwelt und der Interaktion mit anderen Menschen.

Worauf wir in Bezug auf das Gehen achten müssen, ist, dem Körper auch wirklich Gelegenheit zum Üben und Agieren zu geben und es nicht durch im Evolutionsplan nicht vorgesehene „Hilfsmittel“ wie Laufställchen, Laufrädern oder Schuhe zu behindern.

Unsere Aufgaben bestehen hierbei:

  1. Zu allererst schaffen wir den Rahmen für eine abwechslungsreiche und anregende Entwicklungsumgebung für das Kind (also viel Natur, viele Anreize, Dinge auszuprobieren) So kann sich das natürliche „Aufbautraining“ am besten entfalten.
  2. Dann sollten wir das Kind hin und wieder auch beobachten und erkennen, ob es wirklich Unterstützung braucht oder nicht. Hier kann im Zweifelsfall der Rat von Fachleuten hilfreich sein, um zu sehen, ob eine Beobachtung in den gesunden Entwicklungsbereich fällt oder davon abweicht. Achten Sie beim Beobachten insbesondere auf Symmetrie der Körperseiten in Ruhe und in Bewegung und werden Sie bei unflüssigen oder zu schnellen oder langsamen Bewegungen aufmerksam.
  3. Helfen Sie dem Kind (nur), wenn es wirklich Hilfe benötigt und dann aber so früh wie möglich, um Fehlentwicklungen und/oder unnötige Frustration zu vermeiden. Das kann auch bedeuten, entsprechende Hilfsmittel oder Therapien von Fachleuten in Anspruch zu nehmen, solange wie nötig.

Kann das Kind von alleine Ballengang?

Jein. Am Anfang wird es seine hochsensiblen Füße sehr häufig unwillkürlich tastend benutzen, die Zehen u.U. weit abgespreizt, da es noch auf einen unebenen und unregelmäßigen Boden „geeicht“ ist. Das sieht wie Ballengang aus, jedoch ist ja das Fußgewölbe ja bei weitem noch nicht so ausgebildet, dass viel (Feder-)Kraft über den Ballen übertragen werden kann. Deshalb können Kleinkinder trotz ihres geringen Gewichts beispielsweise nicht gut springen.

Aus dem selben Grund liegt ein leichter physiologischer Knick- und Senkfuß bis zum 5. / 6. Lebensjahr vor, der sich allmählich von selbst richtet, wenn der Fuß entsprechend natürlich benutzt wird.

In dieser Zeitspanne findet jedoch ein weiterer für das Leben einschneidender Prozess für das Kind statt: das Lernen durch Nachahmung!

Das Kind „inhaliert“ regelrecht jede Geste, jede Redensart und auch jede Bewegung von den engsten Bezugspersonen. Also auch die Art zu gehen.

Deshalb kommen jetzt SIE AKTIV ins Spiel!

Anstatt an dem Kind etwas verändern zu wollen, liegt es an Ihnen, die Dinge zu tun, die dem Kind einmal von Nutzen sein können und Dinge zu vermeiden, die dem Kind bei Nachahmung weniger nützen.

Bewegen Sie sich leichtfüßig im Ballengang, wird das Kind es unbewusst auch tun. Sitzen Sie aufrecht und entspannt auf den vorderen Sitzhöckern, wird ihr Kind dies als völlig normal aufnehmen und in seinem Gehirn ebenso verankern. Selbiges auch im emotionalen Bereich.

Hier also der letzte Punkt, mit dem ihr Kind Ballengang fürs Leben lernt:

  1. Seien Sie Vorbild! Ohne das Kind dabei zu maßregeln, wenn es Sie nicht 1 zu 1 kopiert. Jeder ist individuell. Das Kind sucht sich intuitiv die Dinge aus, die es von Ihnen übernimmt, oder es einfach nur JETZT noch nicht übernimmt, sondern später. Auf alle Fälle geschieht all das unbewusst seitens des Kindes.

Sie sehen: ein Kleinkind lernt völlig anders als ein Erwachsener.

Deshalb sollten Sie Ihre mühsam später gelernten Lektionen nicht auf die gleiche Weise an das Kind weitergeben, sondern einfach nur für sich selbst anwenden und dem Kind bloß den Rahmen geben, damit es die richtigen Dinge von selbst intuitiv tun kann.

Herzliche Grüße, Stefan Heisel

Richtig Gehen lernen (0) – WARUM und WIE das Lernen beginnt


Richtig-Gehen-Ballengang
Richtig Gehen im Ballengang

Guten Tag, liebe Leser

heute möchte ich mit einer Serie beginnen, die sich mit dem konkreten Erlernen des Gehens beschäftigt.

Ja, Sie haben richtig gelesen mit dem ERLERNEN des Gehens….

Normalerweise lernen gesunde Menschen das Gehen ohne jegliche Anleitung und ohne Unterstützung oder sonstige äußerliche Einmischung ganz von selbst. (Von Ausnahmen bei vorliegenden Beeinträchtigungen organischer oder anatomischer Art sehe ich ab, da in solchen Fällen unter Umständen völlig andere Vorgänge ablaufen, die sehr wohl angemessener Hilfestellung von außen bedürfen!)

Nämlich als Kleinkind in einer von der Evolution in Millionen Jahren herangebildeten Anpassung an den aufrechten Gang. Das Gehen selbst ist eine konsequente Fortsetzung aller vorangehenden Entwicklungsschritte vom Anheben des Kopfes, über das Drehen im Liegen, das selbständige Sitzen, das Krabbeln (was nicht zwingend vor dem Gehen kommt), das sich Hochziehen, das freie Stehen. Diese evolutionäre Anpassung erforderte die Fortbewegung auf sehr unterschiedlichen Untergründen (Steppe, Wald, Gräser, Sand, Felsen, Steine, …) und erforderte auch sehr unterschiedliche Aufgaben (Klettern, Schleichen, Pirschen, Fliehen, Wandern, …) Es bestand in den wenigsten Fällen eine Notwendigkeit, die Füße mit mehr als sehr dünnem Leder oder Fellen gegen Kälte zu schützen. Auch bestanden zunächst keinerlei Bräuche, die die Funktion des Körpers beeinträchtigten. (Gebundene Füße, „Giraffenhälse“ etc)

Dieses selbstständig lernende Kleinkind erlebt also seine Umwelt, je nachdem wo es geboren wurde oder aufwächst, und diese Umwelt beinhaltet HEUTE fast ausschließlich feste begradigte Wege aus Stein, Teer, Beton, Holz oder Kunststoff in einer Ebene mit ausgeglichenem Gefälle. Seine Füße werden sofort in Schuhe gesteckt, selbst dann, wenn es noch gar nicht laufen kann. In manchen ungünstigen Fällen wird es viel zu früh zum Stehen und Laufen „animiert“ bzw. trainiert, eine Weile lang sogar in „Laufstühle“ gesetzt (was zum Glück extrem nachgelassen hat) und es wird auf geometrisch exakte Stühlchen gesetzt, weil man ja „am Tisch“ gemeinsam isst. Um das Kind herum sind lauter Menschen, die wie das Kind selbst in dieser Umgebung aufgewachsen sind, und ebenso abwechslungsarm und „standardisiert“ den „Schuhgang“ demonstrieren. Selbst in der warmen Wohnung werden Hausschuhe getragen, die Absätze haben oder die mit den Zehen gehalten werden müssen und so das natürliche Bewegungsbild verzerren. Was bleibt diesem Kind also übrig, als sich den äußeren Begebenheiten anzupassen und aus der großen Vielfalt, die es noch beim instinktiven Gehenlernen innehatte, einen ebenso standardisierten Gang herauszufiltern, der mit den Schuhen und dem Planboden in einer ausgeloteten und geglätteten Umwelt abgestimmt ist. Die Bewegungsfähigkeit stumpft also mehr und mehr ab, ganz besonders von den Füßen ausgehend.

Folglich verliert das Kind in seinen ersten Lebensjahren immer mehr einen sehr wichtigen Bezug zu Bewegung und bekommt von seinen Mitmenschen, die sich ebenso unisono bewegen, die Bestätigung, dass alles seine Richtigkeit hat. (Genauso wie es seine Richtigkeit hat, alle möglichen „Verschleißerscheinungen“ am Bewegungsapparat zu erwerben)

Irgendwann wird das Kind vielleicht als Erwachsener auf gewisse Dinge aufmerksam, entweder durch eigenes Fühlen und Erkennen oder durch Informationen von außen, die darauf hindeuten, dass das moderne Leben mit den Dingen, die von der Wurzel wegführen, auch seine unguten Seiten hat. Wieso habe ich mit 21 Rückenschmerzen? Wo kommt mein Knickfuß her? Wieso schmerzt mein Knie nach 20 Minuten Gehen? Wieso bekomme ich immer öfter Blasen an die Füße? Wieso habe ich regelmäßig Migräne? Und so fort, die Themenbereiche gehen natürlich auch weit über die Ebene der reinen Bewegung hinaus.

Um diese negativen Auswirkungen des modernen Lebens möglichst weit zu reduzieren muss man sie zunächst einmal als solche erkennen. Da Sie, verehrter Leser, sich mit diesem Blog beschäftigen, sind Sie schon mal in der glücklichen Situation, diese Voraussetzung zu erfüllen. 😉 Der nächste Schritt besteht darin, Informationen zu sammeln und Dinge zu ändern. Und hier sind wir wieder am Ausgangspunkt gelandet: Etwas zu verändern ist das Resultat von LERNPROZESSEN. Oder anders gesagt:

Wenn ich nichts ändere, habe ich auch nichts gelernt!

Wir beschäftigen uns in diesem Blog um das Gehen, speziell um den Ballengang und allem, was man dazu wissen muss, um ihn schließlich auch umzusetzen. Als Erwachsener ist es wesentlich anspruchsvoller, ein derart eingeprägtes Muster wie das Gehen oder Laufen, das millionenfach ausgeübt wurde, zu verändern. Also ist hier richtiges LERNEN bzw. UMLERNEN oder auch NEU-ERLERNEN nötig. Wie jedes Lernen ist leider auch dieses mit einem gewissen Maß an „Arbeit“ verbunden.

Wir wollen uns aber diese „Arbeit“ so angenehm wie möglich machen und uns das Lernen nahtlos in den Alltag einbauen. So erhält man eine sehr lange Übungszeit sozusagen nebenbei geschenkt, ohne wesentlich mehr Zeit zu investieren.

Ich möchte Ihnen die Reihe „Gehen Lernen“ in der nächsten Zeit anhand ausgesuchter, jederzeit umsetzbarer Tipps auf diesem Blog präsentieren.

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Viele Grüße und einen hoffentlich baldigen wirklichen Frühlingsbeginn!

Stefan Heisel