Ballengang „extrem“ in Anwendung


Oder: Hochgebirgstouren mit oder ohne Schuhe?

 

Ballengang_HochgebirgeHallo liebe Leser,

wenn Sie auf dieser Seite landen, haben Sie sich sicherlich schon Gedanken über Ihr Gehen gemacht oder sind neugierig darauf, welche Erkenntnisse oder Erlebnisse andere vorweisen können.

Sie kennen sich bereits mit Ballengang aus? Sie möchten ihn (endlich) selbst ausprobieren? Sie fragen sich, welche Rolle das richtige Schuhwerk dabei spielt? Dann lesen Sie jetzt diesen ausführlichen Erlebnisbericht aus meinem Alpenurlaub in den Sommerferien.

 1. Die Wahl der Schuhe

 

Wanderschuhe
Muss man solche Schuhe tragen?

Wer sich mit natürlichem Gehen beschäftigt hat, weiß, dass Schuhe mit Absatz, fester Sohle und Knöchelschaft nicht gerade optimal sind, um den ganzen Körper, insbesondere den Fuß beim Gehen adäquat einzusetzen. Gerade jene Wanderschuhe, die ja für Bergwandern eindringlich empfohlen werden, machen den Eindruck von „Panzerschuhen“ und packen Fuß samt Knöchel derart ein, dass weder Bewegung noch irgendeine Wahrnehmung unterhalb der Wade noch möglich scheinen.

Sicherlich ist der Fuß dabei vor Verletzung, Kälte und Nässe geschützt, für den Fall der Fälle, andererseits geht ja so eine Bergwanderung in der Regel über viele Stunden (z.B. von Hütte zu Hütte). Die Frage ist, wie viel Schutz überhaupt wirklich nötig ist und wie lange man sich einen derartigen Panzer um den Fuß überhaupt täglich zumuten möchte.

 

Nach meiner Erfahrung und der meiner Klienten passt sich der Körper innerhalb vieler Jahre an seine Umgebung und seinen Gebrauch an (also Ihr Körper formt sich so, wie SIE ihn durch Ihre Aktivität oder Nichtaktivität zum Formen zwingen). Deshalb bekommen beispielsweise viele Frauen, die intensiv „stöckeln“ nach Jahren tatsächlich Achillessehnenprobleme beim schieren Barfußgehen oder in flachen Schuhen, oder Ihre hinten stark verkürzte Gesamtstruktur, die auf hohen Absatz optimiert ist, fällt barfuß merklich zusammen. Die inaktive Druckbelastung einseitig auf dem Vorfuß, kombiniert mit engem Zehenbereich ist ebenso eine perfekte Voraussetzung für jene, die an der Ausbildung eines Hallux Valgus interessiert sind..
Aus gleichem Grund fühlt sich ein ungestützer Fuß beim Wandern ohne „festes Schuhwerk“ deutlich instabiler und verletzungsanfälliger an als mit entsprechendem „Fußbett“ und Knöchelstütze – insbesondere, wenn es vom Gelände her ein wenig anspruchsvoller wird

Er ist es auch. Aber nicht weil er nicht anders könnte, sondern, weil er durch Ruhigstellung gar keine Chance hat, sich so zu entwickeln und zu stabilisieren, wie er es von Natur aus locker könnte!

 

Soviel kurz zur Theorie. Mich hat nun näher interessiert, wie ein im Flachland gut trainierter Körper und insbesondere seine Füße sich zumindest bei annehmbarem Wetter im Hochgebirgigen Gelände so anschicken. Also musste zunächst mal sehr „sparsames“ Schuhwerk bei den ersten Touren herhalten, die so wenig wie möglich in die Fußfunktion eingreifen, dabei aber einen Schutz vor Kälte in den höheren Regionen ermöglichen.

 

Sie können auf diesem netten Hüttenfoto gerne selbst herausfinden, welches Paar Schuhe denn wohl von mir bei den Touren favorisiert wurde… 😉

 

Welche Schuhe testen wir denn?
Welche Schuhe testen wir denn?

 

Meine Routen ersteckten sich in einem recht überschaubaren Bereich im südlichsten deutschen Tal im Allgäu.

 

Wie also funktionierte das Gehen im Ballengang in solchem Gelände und wie schnitten die Schuhe, die ich benutzte bei alldem ab?

2. Zum Gehen selbst:

Anders als im Flachland oder leicht hügeligen Land der Mittelgebirge sind hier so gut wie permanent teil erhebliche Steigungen und Gefälle zurückzulegen. Und das über viele Stunden am Stück. Für die Muskulatur bedeutet das eine ganz andere Beanspruchung. Muskelkater ist mehr oder weniger vorprogrammiert. Die Frage ist, WO er sich bemerkbar macht. Für mich kann ich sagen, dass durch die sehr dünne Besohlung das Fußgewölbe (dessen Muskeln ja hauptsächlich im Unterschenkel liegen) sehr viel zu tun hatte. Jeder Stein (und es gab kaum Schritte ohne Auftreten auf kleine oder größere Steine oder Wurzeln) bewirkte eine „anschmiegende“ Bewegung im Fuß. Die Landung und das Abstoßen war also schon mal mit einer erhöhnten Aktivität im Unterschenkel verbunden. Dazu kommt, dass hier überhaupt kein Schritt mehr ohne Vorfußaktivität möglich war. Ein Landen auf der Ferse (beispielsweise durch einen etwas größeren Schritt) bedeutete gleich ein erhöhtes Risiko abzurutschen oder sogar wegzuknicken. Ballenarbeit war also absolut obligatorisch. Dieser Dauerarbeit entsprechend sahen dann auch meine Waden nach dem ersten Tag aus …

Nach 6 Stunden Gebirge
Nach 6 Stunden Gebirge

Zu meiner eigenen Überraschung waren auch die Waden die einzigste Muskelgruppe, die sich bei dem ganzen 6-stündigen Auf- und Abstieg in 1000 Höhenmetern bemerkbar machten. Weder Gesäß noch Rücken oder Oberschenkel fühlten sich (wie nämlich früher ohne Ballengang gerade nach dem ersten Tag) überlastet oder strapaziert an. Mit den Waden konnte ich mir glücklicherweise durch einen spezielle Massagekniff auch recht gut selbst helfen (dazu aber in einem separaten Bericht über Faszien und deren Beeinflussung mehr)

Die nächste Frage lautet:

3. Die Belastung der Gelenke beim Abstieg.

Dadurch dass ja auch beim Abstieg ein Großteil der Fallbewegung über den Vorfuß/ Sprunggelenk aber auch durch sehr feine Ausgleichbewegungen im Fußgewölbe bereits im Unterschenkel abgefangen wird (im Ballengang wohlgemerkt und auch nur bei entsprechend leichtem Schuhwerk), mussten die Knie und die Hüften nur noch wenig „Federarbeit“ leisten. Überhaupt kamen Knie und Hüfte genau dann verstärkt zum Einsatz, wenn sehr große Stufen überbrückt werden mussten oder wenn es mal zu einem kleinen Stolperer oder Ausrutscher kam. Im Gebirge kommen solche Stolperer tatsächlich auffallend oft vor, worauf ich weiter unten noch eingehen werde.

Als Ergebnis kann ich hier betonen, dass –abgesehen von der muskulären Mehrarbeit der Unterschenkel- auch hier keinerlei Überlastungen der Knie, Hüften oder der Wirbelsäule zu spüren waren. Auch nach mehreren Tagen nicht.

4. Was war aber mit den Schuhen los? 

 

Schließlich ging es über scharfkantige Felsen (wobei die Alpen gegenüber den Felsen in Kroatien sehr mild sind), über nasses Gestein, über kleine Wasserquellen und auch über feuchtes hohes Gras….

Vom reinen Gehen her muss ich sagen: TOP! Es gab nicht das geringste Problem im Geröll, bei Klettersteigen, bei groben Felsen oder dicken einzelnen Wurzel. Im Gegenteil sogar: Das Profil meiner Schuhe schaut ein wenig lustig aus, erwies sich aber trotz der Weichheit (oder auch wegen!) den Schuhen meiner Mitwanderer mindestens ebenbürtig bis sogar überlegen bei sehr rutschigen Stellen. Der Vorteil der weichen dünnen Sohle (wenn sie wie hier dennoch völlig „stich- und schnittsicher“ ist) liegt darin, dass man sehr schnell schon beim Auftreten bemerkt, wie der Untergrund grob beschaffen ist und vor Allem wie griffig er sich beim ersten kleinen Belasten zeigt. So konnte ich schnell und sicher geeignete Stellen zum Überqueren von glatten Passagen finden. Wenn der Fels sehr schräg war, war es einfach, mich – anders als Wanderer mit ganz fester Sohle – leicht an die Schräge anzupassen und auch in einer flotten, fast schon kletternden Art und Weise über einzelne Felsen vorzuarbeiten.

Wenn es sehr steil nach oben ging (aber dennoch begehbar), ertappte ich mich dabei sogar, tendenziell mit den Fußballen in leichte Hocke zu gehen und auch schnell die Hände zum Aufstieg zu benutzen. Das fühlte sich recht effizient und leicht an.

Dieses „minimale“ Schuhwerk hat aber auch natürlich seine Grenzen: Sobald es wirklich nass wurde, drang durch das Leder und die Sohlennaht recht schnell Wasser ein. Dadurch bekam ich bei einer der Touren nasse und kalte Füße und hätte strenggenommen gleich barfuß weitergehen sollen. Aber dazu unten noch mehr 😉

5. Barfuß!

 

An einem der letzten Tage –es stand eine recht lange Tour an- waren die Außentemperaturen bei sonnigem Wetter sagen wir mal „sehr angenehm“. Für mich ein Anlass, die Schuhe nun ganz wegzulassen und mich so lange wie möglich barfuß an die Aufstiege und Höhenwege dranzumachen. Da meine Fußsohlen grundsätzlich an Barfußgehen auf jeglichem flachem Gelände gewöhnt sind, stellte sich jetzt die Frage, wie es sich anfühlt, über wirkliche Felsen zu gehen. Um es vorwegzunehem: Ja, DAS GEHT!

ballengang_gebirge_barfuss
Barfuss im Gebirge

Ich konnte mich drei Stunden nach oben und über den Höhenweg „arbeiten“ und dennoch die schöne Aussicht genießen. Die ständige Konzentration auf den jeweils nächsten Schritt, das ständige Abschätzen und Ausgleichen von oft sehr spitzen und scharfen Kanten erforderte soviel Energie, dass nach besagten drei Stunden die Aufmerksamkeit allmählich nachließ. Und so passierte etwas sehr Kleines aber dennoch Folgenreiches: An einem der unzähligen Überquerungen eines einzelnen kniehohen Felsens stieß ich mir bei nachziehen des Fußes den vierten Zeh an einem vorstehen Stück Fels an. Es war nur ganz leicht aber genügte, um ein „Knacken“ ertönen zu lassen und den berühmten Schmerz erfahren zu lassen, den jeder kennt, der mal nachts barfuß in der Wohnung gegen eine Schrankkante getreten ist …. Nun, es waren noch etwa 3-4 Stunden Weg vor mir und obwohl meine Gangart schmerztechnisch nun leicht hinkend so fortgeführt werden konnte, entschloss ich mich (klugerweise) meine mitgenommenen leichten Schuhe lieber wieder anzuziehen und zumindest mit einer sichtlichen Erleichterung weiter zu gehen.

Der Zeh wurde im Schuh zwar nicht besser, aber ich konnte ohne weitere solcher Vorfälle die Tour uneingeschränkt fortsetzen.

Am Abend sah das Ganze dann so aus (siehe rechts) aber es bließ nur bei einer sehr leichten Stauchung.

Ballengang_Unfall
Wie ein kleiner Zusammenstoß nach 2 Stunden aussieht

Würde ich wieder barfuß eine solche Strecke gehen?

JA, auf jeden Fall, wenn es nicht kalt/nasskalt ist (das wäre aber dennoch denkbar für reine Barfußgänger, die ja keine Saison kennen)

Aber ich würde keinen ABSTIEG auf Fels so durchführen, weil das Landen immer mit Rutschen und Scheuern verbunden ist und die Füße damit großen Verletzungegefahren ausgesetzt wären. Und ich würde tatsächlich in einem sehr anspruchsvollen Gelände, in dem ständig Fehltritte möglich sind nur so lange barfuß gehen, solange 100% Konzentration gegeben sind. Ähnlich wie jemand, der auf Hochseil balanciert -> Einmal die Konzentration weg und dann passiert’s 😉

Die Vorteile von barfuß sind aber auch hier wie bei jeder Barfußwanderung im viel intensiveren Wandererlebnis und im höchst wirkungsvollen Körpertraining.

Wenn Wanderer mich fragten, wie ich denn überhaupt barfuß gehen könne (also wie das überhaupt bei den Felsen möglich ist), dann konnte ich nur entgegnen, dass dies ein Körpergefühl als Ergebnis von ganz bewusstem Training ist, das dann eben schnell zur Normalität wird.

 

6. Was ist nun mein Fazit aus diesen Erlebnissen:

 

Für Wanderungen jeglicher Art würde ich die Schuhe so minimal wie möglich einpacken und falls möglich, gleich sofort barfuß losgehen.

„Wanderschuhe“ sind für mich als Kategorie viel zu allgemein. Was ich in den Bergen als solche gesehen habe, erfüllen mit Sicherheit ihre Zwecke für Gletschergebiete, oder Wanderungen generell mit kalten und nassen Bedingungen oder bei wirklichem Felsklettern mit Seil. In jedem anderen Gebiet bringen sie im Grunde nichts, sind viel zu schwer und schränken die Bewegungsfreiheit der Füße unnötigerweise ein.

Mit einer guten Gehtechnik, lässt es sich völlig Belastungsfrei und ausdauernd im Gebirge gehen. Sogar barfuß unter bestimmten Bedingungen.

 

Falls Sie ähnliche Erlebnisse haben, würde ich mich freuen, darüber auch etwas lesen zu können. Gerne unten als Kommentar. Ich freue mich über jedes Feedback. Vielen Dank!

 

Ich wünsche viel Spaß beim Wandern aller Art,

Stefan_Heisel_Alpen

 

Ihr Stefan Heisel

PS: Hier die getesteten Schuhe: („Eigenbau“) 🙂

Minimalschuhe für alle Zwecke ;)
Minimalschuhe für alle Zwecke 😉

Nullabsatz, sehr weiche dünne Sohle -> Reifenmaterial, daher abriebfest, weiches Oberleder, schmiegt sich der Fußform an, 100% Zehenfreiheit

Barfußlaufen empfohlen!


barfuss_laufenSehr geehrte Leser,

heute stelle ich einen interessanten Artikel aus Focus online (Quelle untenstehend) für Sie ein.

Es geht darum, dass Barfußlaufen (und Barfußgehen) – vorausgesetzt, es gibt keine medizinischen Kontraindikationen – immer häufiger von Ärtzten empfohlen wird. Da ich selbst seit über 10 Jahren keinerlei Absätze oder Dämpfung beim Laufen mehr trage und außerhalb von Städten gerne barfuß unterwegs bin, empfehle ich, die Informationen des folgende Interviews zu beherzigen.

(Da ich bereits die Erfahrung machte, dass gute Beiträge online hin und wieder verschwinden, habe ich das Interview vollständig kopiert)

Viel Spaß beim Lesen und herzliche Grüße,

Stefan Heisel

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ZUR PERSON
Professor Rüdiger Reer ist stellvertretender Leiter der Abteilung Sport- und Bewegungsmedizin der Universität Hamburg und Generalsekretär des Deutschen Sportärztebundes.
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„Barfußlaufen trainiert die Fußmuskulatur und sorgt für einen natürlichen Laufstil, sagt Bewegungsmediziner Rüdiger Reer. Er empfiehlt, Hightech-Laufschuhe so früh wie möglich gegen minimalistische Varianten auszutauschen – zumindest, wenn der Arzt seine Zustimmung gibt.

SPIEGEL ONLINE: In der Szene trifft man beim Thema Laufschuhe auf zwei Lager: Die einen bevorzugen stark gedämpfte Hightech-Schuhe, die anderen sind Minimalisten, nutzen Zehenschuhe oder würden am liebsten barfuß laufen. Was sagt die Wissenschaft dazu?

Reer: Am besten wäre es natürlich, barfuß zu laufen. Aber weil wir keine Steinzeitmenschen mehr sind und keine schützende Hornhaut haben, brauchen wir einen gewissen Schutz. Minimalistische Laufschuhe oder Zehenschuhe sind die bessere Variante, weil man mit ihnen natürlicher läuft und die Fußmuskulatur trainiert, während in Hightech-Schuhen der Schuh die ganze Arbeit übernimmt.

SPIEGEL ONLINE: Das heißt: In Hightech-Schuhen laufen wir unnatürlich?

Reer: In gewissem Sinne – ja. Und deswegen ist es gut, mit Zehenschuhen so früh wie möglich anzufangen, weswegen sie vor allem Kindern und Jugendlichen zu empfehlen sind. Bei Kindern hat man noch ein großes Formungspotenzial, was den Fuß angeht. Das Längs- und Quergewölbe des Fußes wird aufgespannt und durch die Muskulatur stabilisiert. In Hightech-Schuhen ist das weniger ausgeprägt.

SPIEGEL ONLINE: Also, klare Empfehlung: nur noch in Zehenschuhen laufen?

Reer: Das kann man so nun auch nicht pauschal sagen, weil Zehenschuhe nicht für jeden geeignet sind, beispielsweise nicht für Leute mit Fußerkrankungen oder Fehlstellungen des Fußgewölbes, die Einlagen benötigen. Das muss man immer im individuellen Fall entscheiden. Am besten ist es, bevor man sich Zehenschuhe kauft, eine Bewegungsanalyse oder sogar eine sportmedizinische Untersuchung zu machen.

SPIEGEL ONLINE: Warum ist es eigentlich so wichtig, die Fußmuskulatur zu trainieren?

Reer: Sie stabilisiert den Fuß und schützt die Achillessehne. Aber es geht noch um mehr. Der Fuß ist ja das letzte Glied in der Körperkette. Probleme in der Fußmuskulatur können sich auch auf das Becken und den Rücken auswirken.

SPIEGEL ONLINE: Kann man mit Zehenschuhen einfach so loslaufen wie mit normalen?

Reer: Nein. Eben weil wir es nicht mehr gewöhnt sind, barfuß zu laufen, wirken stärkere Kräfte auf den Fuß und auf die Achillessehne. Also: langsam angehen lassen und vorsichtig steigern, sonst kann es zu Verletzungen und Schädigungen infolge von Überlastung kommen. Und man muss sich natürlich auch erst nach und nach den anderen Laufstil angewöhnen.

SPIEGEL ONLINE: Anderer Laufstil?

Reer: Beim Barfußlaufen oder Laufen mit minimalistischen Schuhen wird bei höheren Geschwindigkeiten der Vorderfußlauf bevorzugt, bei längeren Strecken und niedrigeren Geschwindigkeiten der Fersen- oder Rückfußlauf. Die Umstellung auf den richtigen Laufstil passiert automatisch, man sollte nicht versuchen, mit aller Macht seinen Laufstill umzupolen.

SPIEGEL ONLINE: Wenn der Schuh also den Laufstil vorgibt und Hightech-Schuhe uns zu einem unnatürlichen Laufstil zwingen – welchen Sinn machen dann die Laufstilanalysen beim Sportschuhkauf?

Reer: Die Analyse müssen Sie immer in Bezug auf den Schuh sehen. Es wird analysiert, inwiefern der neue Schuh zu Ihrem bereits antrainierten Laufstil und der anatomischen Beschaffenheit des Fußes passt.

SPIEGEL ONLINE: Der Laufstil ist ja aber von vornherein schon nicht mehr natürlich.

Reer: Ja, das stimmt. Aber das ist nun mal die Realität. Wir laufen alle nicht mehr barfuß. Und Sie müssen ja auch bedenken, dass viele Menschen anatomische Besonderheiten haben. Der eine läuft beispielsweise mehr nach innen, der andere nach außen. Und darauf kann man die Schuhauswahl abstimmen. Insofern ist die Analyse schon sinnvoll.

[Anmerkung: Die anatomische Form des Fußes ist durchaus in vielen Fällen veränderbar – beispielsweise durch richtiges Gehen, Spiraldynamik oder Faszientherapie. Stefan Heisel]

SPIEGEL ONLINE: Es hieß früher immer, Hightech-Schuhe wären gelenkschonender, weil sie den Aufprall mehr dämpfen. Zehenschuhe dämpfen gar nichts mehr, werden aber trotzdem empfohlen. War das nun alles falsch mit dem Gelenkschonen?

Reer: Nein, das war nicht falsch, aber es war zu einseitig gedacht. Man hat einfach nicht bedacht, dass ja der Fuß selbst gut dämpfen kann, wenn seine Muskulatur ans Barfußlaufen oder Laufen mit Zehenschuhen gewöhnt wurde. Nach heutigem Kenntnisstand ist klar: Diese massive Dämpfung, die noch vor einigen Jahren vielfach propagiert wurde, ist nicht nötig und auch nicht sinnvoll, weil sie die natürlichen Systeme ausschaltet und verkümmern lässt. Die Laufschuhindustrie hat diesen Trend mittlerweile auch erkannt, viele große Hersteller haben Minimalschuhe im Angebot und sind damit erfolgreich. Dennoch: Für Leute mit Fuß- oder Rückenproblemen sind Hightech-Schuhe mit Dämpfung gegebenenfalls sinnvoll.“

Das Interview führte Jens Lubbadeh.

Quelle:

http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/barfussschuhe-besser-zum-joggen-als-hightech-schuhe-a-922878.html

Barfuß durchs Felsenmeer


Naturerlebnis_Ballengang_Felsenmeer1
Felsenmeer Lautertal bei Bensheim im Odenwald

(Aus der Seite www.naturerlebnis-ballengang.de)

Hallo liebe Leser,

ich möchte gerne von einem besonderen Naturerlebnis-Ballengang berichten.

Am 1. Mai unternahm ich mit einer Gruppe befreundeter/bekannter Familien einen Ausflug zum Felsenmeer Lautertal bei Bensheim im Odenwald (leicht zu erreichen über A5 Ausfahrt Bensheim -> B47)

Gleich zu Beginn musste ich feststellen, dass dieses äußerst bemerkenswerte Naturdenkmal (leider) auch touristisch überaus gepflegt, um nicht zu sagen komplett ausgereizt, ist. Angefangen bei den extra angelegten kostenpflichtigen Parkplätzen über das reichlich mit Merchandising ausgestattete Info-Gebäude und dem geleckt wirkenden frisch gepflasterten Zugangsweg zum Waldrand, bis zum obligatorischen Esskiosk am Ende des sich über 2 km erstreckenden Felsenmeer-Anstiegs.

Neben den eigentlichen Felsen „beeindruckte“ mich an diesem Tag auch die Masse an Besuchern, die einem riesigen Pilgerzug glich, um über die großen runden Steinhaufen mit Kind und Kegel das gelobte Land zu erreichen. 😉

Wie dem auch sei: Die Herausforderung einer schönen Kletterpartie stand und die möglichen Risiken einer Verletzung sah ich an diesem 1. Mai 2013 eher darin, von jemandes dicken Wanderschuhen auf die Füße getreten zu bekommen als irgendwo abzurutschen oder in einen spitzen Ast zu treten. Also raus aus dem Auto und aus den Schuhen und rein ins Vergnügen ….

Wenn man barfuß unterwegs ist, bekommen jegliche Bewegungen eine zusätzliche Wahrnehmungsqualität: die Beschaffenheit des Untergrundes. Jeder einzelne Schritt (besonders auf nicht glattem, ebenem Boden) bewirkt einen unwillkürlichen sehr feinen Ausgleichreflex im ganzen Körper. Man unterscheidet zwischen kleinen, mittleren und größeren Steinchen, zwischen abgerundeten und spitzen Steinen, zwischen trocken, feucht und nass, zwischen kalt, kühlend, warm, wärmend, heiß, zwischen Sand, Erde, Stein, Holz, Teer, Metall, …, zwischen hart, weich und kuschelweich, und vieles mehr. Dadurch gewinnt jeder Gang, jede Wanderung deutlich an Erlebnisqualität.

Die Materie nimmt unmittelbaren Einfluss neben dem Duft, den Geräuschen, der Optik, dem WInd und der Lufttemperatur.

Felsenmeer: Der Aufstieg
Felsenmeer: Der Aufstieg

Das barfüßige Klettern stellte wieder eine neue Erfahrung dar: Gerade an diesem Tag waren einige Felsen noch feucht und damit mehr oder weniger glitschig. Der Schrägheitsgrad variierte stufenlos, so dass die „Rutschgrenze“ – neben dem eigentlichen Bewältigen der Stufen und Spalten – immer neu erfühlt werden musste. Durch das unmittelbare Abtasten durch die nackte Fußsohle war schon bei der ersten Berührung spürbar, ob und wie der Fels begehbar ist. Genau so, als würde man jeden Stein vorher mit den Händen abtasten.

An einigen Stellen, an denen ich mich abstütze oder zog, stellte sich das Gefühl ein, ich würde mich auf vier Händen fortbewegen. Ein Zustand, der mit keinerlei Schuhwerk außer diesem erreichbar ist. 🙂 Speziell fügten sich auch die Zehen in jede Ritze und Erhebung ein und beanspruchten damit das Muskel- und Nervensystem besonders intensiv. So wurde der Aufstieg zu einem abwechslungsreichen Abenteuer und bedeutete ein äußerst ausgefülltes körperliches Erlebnis.

Die Gefahren: herausschauende Eisenpfähle
Die Gefahren: herausschauende Eisenpfähle

Über Nutzen und Bedeutung des Fußballens möchte ich an dieser Stelle nicht detailliert eingehen, weil jeglicher Auf- und Abstieg ohnehin nur mit außschließlichem Balleneinsatz möglich ist. Insofern kann man Barfuß-Klettern als mitunter beste Förderung des Ballengangs bezeichnen.

Zum Abschluss sei noch, rein obligatorisch, die nicht minder interessante Reaktion der Menschen erwähnt:

Es waren an diesem Tag mehrere hundert Unternehmenslustige, meist in familiärer Aufstellung, unterwegs, sodass an manchen engeren Passagen des Aufstiegs regelrechte Warteschlaggen entstanden. Ich war der einzigste, der barfuß unterwegs war und fiel mit diesem Umstand an diesem Ort stärker auf als ein vollgepiercter Punkt mit Ratte auf der Schulter im Schlosspark. Um mich herum bildeten sich Gespräche, meist zwischen fragenden Kindern und erklärenden Erwachsenen: „Schau mal, der hat nackte Füße!“ „Warum hat der Mann keine Schuhe an?“ …. Eine der witzigeren Erklärungen, die ich mitbekommen war jene, dass ich wohl ein Spiel spielen würde, um zu sehen, wie schnell man ohne Schuhe die Steine hinauf klettern kann. Von seiten meiner Gruppe, mit der ich ja unterwegs war, betonte einer regelmäßig, wie „hart“ mein barfuß Gehen sei. Jemand anderes fragte mich immerhin, was ich von Barfußschuhen halte. Immerhin! 🙂

Wie angenehm: Die Wahnehmungsvielfalt!
Wie angenehm: Die Wahnehmungsvielfalt!

Angesichte meines eigenen Erlebens und der Selbstverständlichkeit meines Tuns (das ja im Grunde genommen überhaupt nichts besonderes ist) wurde mir immer unverständlicher, weshalb man bei gemäßigten Temperaturen zumindest in der freien Natur überhaupt Schuhe trägt. Ich glaube, wer wirklich einmal ganz intensiv gespürt hat, welche positiven Sinneseindrücke der direkte Bodenkontakt mit der nackten Fußsohle hinterlässt, wer dann von selbst beginnt, sich im Ballengang – und damit viel aufrechter und leichter zu bewegen, der wird nur widerwillig auf solch ein Erlebnis verzichten! Ein kompletter Wahrnehmungszweig fiele damit ersatzlos weg! Schließlich verbindet sich ja auch niemand ohne Not Augen, Ohren oder Nase, wenn er doch die Natur genießen möchte, oder?

Mit diesen Eindrücken und der unbedingten Empfehlung zum barfuß Gehen in der Natur verbleibe ich mit besten Grüßen,

Stefan Heisel

Quelle: http://wp.me/p3sjdV-T

Hacke oder Spitze? Wie gehe ich richtig im Tango?


Sehr geehrte Leser,

passend zur Frage, welches „Gehen“ generell richtig oder falsch ist, (siehe diesen Artikel hier im Blog Richtiges Gehen-Falsches Gehen) habe ich – ganz nebenbei- einen Artikel aus einem Tango-Blog gefunden. Von einem Tänzer mit momentan 19-jähriger Tanzerfahrung. Da ich selbst auch tanze, fand ich die Beschreibung sehr treffend und auch für unsere Belange – das beste natürliche Bewegungsmuster zu finden – interessant.

Denn: Ob Hacke (Ferse) oder Spitze (Ballen): Es kommt ganz darauf an, welche Energie für die Aktion benötigt wird.

Das Entscheidende ist die Körperarbeit! 

Hier zum (nicht nur für Tänzer interessanten) Artikel von Wolfgang Sandt:

(Hervorhebungen von mir)

„…Tanzt Ihr schon eine Weile Tango und habt Unterricht bei verschiedenen Tangolehrern genommen? Dann ist es wahrscheinlich, dass unterschiedliche Tangolehrer Euch völlig verschiedene Arten des Gehens im Tango unterrichtet haben. Einige Tangolehrer erklären euch, dass Ihr mit dem Fußballen, also vorne, aufsetzen müsst. Andere Tangolehrer sagen, dass Ihr über die Ferse abrollen müsst, wie beim ganz normalen Gehen auf der Straße. Ganz schön verwirrend, oder? Wenn´s der eine Lehrer so erklärt und der andere ganz anders. Vor allem wenn ein Lehrer davon überzeugt ist, im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein Was kann man da bloß machen? Keine Sorge! In Wirklichkeit ist das alles überhaupt kein Problem….“

zum ganzen Artikel: http://mytangotalk.wordpress.com/2011/12/16/hacke-oder-spitze-wie-gehe-ich-richtig-im-tango-ein-geheimnis-wird-geluftet/